Huldra

Die Sonne steht tief und von Wipfeln verdeckt, ein Schleier steigt aus dem feuchten Gras auf. Ein einsamer Wanderer betritt die Lichtung, bleibt stehen und ruht aus. Sein Atem geht schnell und nebelt. Ein Rascheln lässt ihn aufhorchen. Und summt da jemand leise eine Melodie? Sein Blick sucht rasch den Wald ab – war da eine Bewegung im Dickicht? Das Summen wird lauter, wird Gesang. Kennt er nicht dieses Lied? Er möchte einstimmen, wohlige Schauer einer unbekannten Erinnerung durchlaufen ihn, als auf der anderen Seite der Lichtung eine Gestalt aus dem Wald tritt. Sie nähert sich ihm und er steht starr, gefangen von ihrem Blick, ihrer Stimme, ihrer Anmut. Die wehenden Locken, der elfengleiche Gang – hat er je so ein betörendes Wesen gesehen? Selbst der unter dem Rockzipfel hervorlugende Kuhschwanz wedelt bezaubernd hin und her. Ein Kuhschwanz? Nur mit Mühe kann er sich konzentrieren, ihr Anblick umflort seine Gedanken. „Sie ist ein Troll!“ ruft er innerlich aus und widerspricht sich sogleich: „Nein, sie ist bezaubernd, eine Fee!“ und breitet seine Arme. „Ein Troll!“ flüstert der Wald, doch wird er schon nicht mehr gehört.